Grosses Interview zur Weihnachtskampagne 08/09

der A-Nationalmannschaft

Frauennati.ch traf sich im Anschluss der Weihnachts- und Neujahrskampagne Dez. 08/Jan. 09 der A-Nationalmannschaft mit dessen Verantwortlichen zu einem längeren Interview.

Frauennati.ch: Sali mitenand, vorab allen noch ein gutes Neues Jahr und ich darf wohl sagen „Gute Besserung“!
René Kammerer, Headcoach (RK): Danke, nun ein wenig erwischt hat es mich auch. Mit einigen Besuchen bei unserem Medical Staff, und den dort erhaltenen Präparaten konnte ich persönlich an allen Tagen präsent sein. Jetzt wo die Anspannung nachlässt, kommt dafür das Tief, aber das ist okay so.
Philipp Steiner, Delegationsleiter (PS): Danke gleichfalls!
In der Tat ist es so, dass wir auch die Genesungswünsche brauchen können!
Es hat mich auch ziemlich erwischt und die letzten Tage musste ich mich mit Medikamenten über Wasser halten und jetzt wo der ganze Druck weg ist beginnt der Körper nochmals zu reagieren und ich schlucke fleissig meine Grippemedikamente, welche ich von unserem Medical Team erhalten habe.
Sie hatten wohl noch nie so viele Patienten und Patientinnen wie diesmal wo es eben auch Teile des Staffs erwischt hatte.
Michael Fischer, Assistant Coach (MF): Merci, ich bin glimpflich davon gekommen. Die Belastung durch die Viren habe ich aber auch gemerkt und bin etwas müde. Aber sonst geht es gut.

Wie kam es zu dieser Häufung von Ausfällen? Im letzten Spiel waren gerade mal noch 15 Feldspielerinnen im Einsatz. Ursprünglich einmal begannen 23 Spielerinnen die Kampagne.
RK: Zunächst war die Zeit in Chur unglaublich hart, vor allem zu Beginn. Wir wollten in einer Zivilschutzanlage nächtigen, weil unser Budget nun mal sehr eng ist. Dort war die Luftqualität schlecht, und auch ansonsten überall wirklich kalt. In den ersten Tagen fand sich keine Wärmeinseln. Weder auf der Eisbahn- auch die Garderoben waren zu Beginn kalt - noch in der Unterkunft. Wir haben sofort reagiert, und die Spielerinnen in Hotels unterbringen können. Ein organisatorischer Kraftakt. Durch den Winter, und den Spengler Cup waren die Hotels fast ausgebucht. Und wir können nicht jeden Preis bezahlen. Wir mussten auf verschiedene Unterkünfte verteilen.
Trotzdem waren erste Erkältungen im anrollen. Dann waren es natürlich enorm harte Tage. 4 Tage in Chur mit den 4 Spielen plus Trainings, kurze Pause (Neujahrsnacht), dann der Transfer nach Ravensburg. Dort gleich am Nachmittag gegen die ausgeruhten Schweden. Und wiederum nur 24h später gegen Team Deutschland. Dazu noch der allgegenwärtige Selektionsdruck und die allgemeinen Umstände in dieser Phase der Saison. Das zehrt an den Kräften. Die meisten Ausfälle sind auf Erkältung resp. Grippe zurückzuführen. 4 Ausfälle waren verletzungsbedingt. Einige hätten wir wohl mit Hilfe unserer Ärzte einsetzen können. In Absprache mit den Spielerinnen entschieden wir uns jedoch dagegen. Das Risiko, der Preis wäre zu hoch gewesen. An einer WM oder an olympischen Spielen wären andere Entscheidungen möglich gewesen. Sofern es die Gesundheit nicht bleibend beeinträchtigt versteht sich für uns Schweizer!  

Aber der Reihe nach. Vor den Weihnachten stand noch ein Camp in Reinach an. Wie kann das im Rückblick beurteilt werden?
MF: Wir sahen in Reinach einige der Spielerinnen zum ersten Mal seit dem August wieder. Entsprechend legten wir Wert auf Teambuilding und eine von Anfang an angemessene Intensität auf dem Eis. Die Spielerinnen haben uns nicht enttäuscht und in kurzer Zeit wieder eine funktionierende Gruppe gebildet welche auch auf dem Eis grossen Einsatz geleistet hat. Die Frucht daraus war der Sieg gegen die Novizen Top aus Langenthal welche wir in der 7. Sekunde der Overtime bezwangen. Es war ein gelungener Auftakt in die Kampagne.

Am 28.12.2008 traf sich das Kader in Chur wieder für die Spieleserie bis Ende Jahr (4 Spiele in 4 Tagen). Nach dem ersten Spiel standen bereits 2 verletzungsbedingte Ausfälle zu Buche. Wie beurteilst du das Camp in Chur?
RK: Wie oben erwähnt waren die Umstände recht schwierig. Stephan Weber vom DHC Chur und seine Freundin haben alles getan, damit es  uns an nichts fehlt. Sie hatten auch noch die Kanadierinnen, und damit eine der kompliziertesten Teams zu betreuen. Was das bedeutet versteht nur, wenn er/sie es selbst erlebt hat. Ein riesen grosses Dankeschön an die beiden. Das Spiel gegen das Novizen Team war sehr hart. Vor allem physisch. In den beiden Kanada-Spielen fehlten uns bereits Spielerinnen. Trotzdem zeigten wir sehr gute Ansätze. Z.B unser Powerplay. Das Spiel gegen die Bethel University war eher für unser Selbstvertauen. Aber auch dort ging das Spiel 60 Minuten. Ich darf hier dem Team ein Kränzchen winden. Sie haben sich mit den Umständen so gut es ging arrangiert.

Wie habt ihr nach der ersten Nacht in der Zivilschutzanlage reagiert?
PS: Zuerst haben wir noch mit Galgenhumor gescherzt, dass wir es ja wegen unserem knappen Budget gewohnt sind in Zivilschutzanlagen zu nächtigen aber als dann die ersten Spielerinnen zu kränkeln begonnen hatten, war es uns klar, dass dringend Handlungsbedarf da ist!
Da es eben auch in der Eishalle in Chur überall kalt war, gab es einfach keine Möglichkeiten einmal an der Wärme zu sein und etwas zu erholen.
Ich habe mich dann am ersten Morgen sofort auf die Socken gemacht und Elektroöfen organisiert, damit wir den Essraum in der Eishalle auf erträgliche Temperaturen bringen konnten und dann war mein Gang zu Chur Tourismus auf dem Programm.
Dort habe ich mir eine Liste von Hotels geben lassen, welche ich dann nach bezahlbaren Zimmern abgeklappert habe.
Telefonisch habe ich alle nacheinander angerufen und wenn Betten für mindestens 5 Personen verfügbar waren sofort reservieren lassen.
Auf diese Weise konnte ich in drei verschiedenen Hotels 30 Betten organisieren!
War nicht gerade einfach, waren wir doch in der Hochsaison und während des Spenglercups im Bündnerland und da ist vieles total ausgebucht.
Nach den diversen Telefonaten habe ich mich dann ins Auto gesetzt und bin bei den drei Hotels vorbeigefahren und habe die Einzelheiten geklärt.
Leider ist es so, dass zwei der drei Hotels keine Zimmer auf Rechnung herausgeben wollte, worauf ich mit meiner persönlichen EC-Karte im Voraus bezahlen musste!
Zum Glück hat unser Verband nach meinem Hilferuf sofort reagiert und mir eine Zahlung auf mein Privatkonto gemacht, damit ich nicht plötzlich in Ravensburg stand ohne einen Franken im Sack.
Das Spiel in Chur war schon lange im Gange und ein grosses Dankeschön vor allem auch an Ka unseren Captain, welche vor Ort dafür gesorgt hatte, dass in meiner Abwesenheit alles reibungslos abgelaufen ist! Nun ja zumindest konnte ich beruhigt in die Eishalle zurückkehren mit der Gewissheit mindestens die Spielerinnen in Hotelzimmern untergebracht zu haben, leider konnte ich dann nur noch das letzte Drittel des Spiels sehen.
Die Coaches und Beat unser Materialwart haben sich geopfert und haben sich bereit erklärt auf ein Hotelbett zu verzichten und haben die Zivilschutzanlage als Bleibe bevorzugt, DANKE!!

Wie beurteilst du die Spiele im Nachhinein?
MF: Der Sieg gegen die mit Elite Junioren verstärkten Novizen aus Chur war verdient. Trotz des hohen Preises den wir mit 2 verletzten Spielerinnen bezahlen mussten zeigten wir ein phantastisches letztes Drittel mit 5 Toren. Das war eine Klasse Leistung. Künftig müssen wir unsere männlichen Gegner sicher selektiver auswählen. Team Canada U22 schlug uns zweimal und zeigte uns auf, wo die Trauben hängen. Das erste Spiel wo sie nur zu Neunt waren war sicher brutal. Zeigt aber einfach die Realität. Auch nach 60 Minuten umkurvten und die 9 Kanadierinnen noch obwohl wir mit 4 Blöcken durchwechselten. Es waren aber lehrreiche Spiele für uns. In vielerlei Hinsicht. Bethel University schliesslich war der einzige Match bei dem wir überlegen waren und etwas für die Offensive arbeiten konnten. Aber auch das brauchten wir um uns zu entwickeln. Abschliessend kann man sagen, haben wir Hochs und Tiefs erlebt wo wie sie an einem Turnier vorkommen können. Und das brauchen wir um zu lernen.

Waren 4 Spiele auf diesem Niveau nicht etwas zu viel für das Team, zumal der wichtige MLP Nations Cup noch anstand?
RK: Rückblickend müssen wir sagen - zusammen mit den speziellen Umständen - zu viel.
Wir haben das vorab ganz bewusst so geplant, um zu sehen, wie unsere Spielerinnen und der Staff damit umgehen können. Das es dann auch in der Zivilschutzanlage derart kalt und ungemütlich war, nun, das war zugegeben so nicht kalkuliert.

Bereits am 1.1. ging es weiter nach Ravensburg. Wie stellten sich die Bedingungen vor Ort dar?
PS: Ravensburg kannten wir ja bereits aus den letzten Jahren und es war einmal mehr ein Top Turnier!
Mit CAN U22, SWE, FIN, RUS, GER und uns war das Teilnehmerfeld herrvorragend besetzt, bis zur Organisation mit Shuttleservice und dem gesamten Umfeld ein Turnier mit WM-Charakter!

Am 2.1. eröffneten ihr gegen Schweden den ersten MLP Nations Cup (vormals Air Canada Cup) überhaupt. Wie war dein Eindruck zum Spiel?
RK: Wir haben 2:1 geführt. In Summe 3 Tore geschossen (mehr als alle anderen Gegner von Schweden). Wir waren nahe dran. Die Schiedsrichterleistung war leider nicht immer glücklich. Das hätte für uns bedeutet, einfach noch besser zu spielen. Dazu waren wir an diesem Tag nicht in der Lage.
Ich bin überzeugt, dass wir, wenn alles stimmt, den Schweden wieder gefährlich werden können. Dazu müssen wir 10-20 % schneller werden.
Ihre physische Präsenz, ihr Speed, ihre Technik ist schon beeindruckend. Schüsse aus dem Handgelenk, Variantenreich in den Bullys usw. Und einige haben noch gefehlt. Sie haben im Final die Ahornblätter bezwungen, dass sagt sehr viel über ihre Stärke.

Gleich am andern Tag habt ihr vor 1'500 Zuschauern gegen den Erzrivalen Deutschland mit 3:4 verloren. Wie kam es zu dieser eher überraschenden Niederlage?
MF: Deutschland kam zum ersten Mal nicht als Favorit in dieses Duell und das spürten wir. Wir waren es bis anhin gewohnt, aus der Aussenseiterrolle zu agieren und wir müssen das Umgekehrte erst noch lernen. Zudem stellt Deutschland mit der Linie Becker/Lanzl/Lanzl und einem gut trainierten Powerplay internationale Spitze dar. Diese Faktoren entschieden dann den Match auch. Während wir zwar mehr Chancen hatten war Deutschland effizienter. Getragen vom phantastischen Publikum in Ravensburg hatten sie den längeren Atem und erzielten die beiden entscheidenden Tore in den letzten 10 Minuten. Nicht von der Hand zu weisen war auch der Schock nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden von Melanie Häfliger als noch keine Minute gespielt war. Aber das müssen wir verkraften können, denn das kann auch an einer WM passieren. An dieser Stelle alles Gute und rasche Genesung an die betroffenen Spielerinnen! Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass 12 Spielerinnen bei den deutschen noch immer Bundeswehrsoldatinnen sind. Faktisch Profis.

An so einem Turnier um den letzten Platz zu spielen darf den Ansprüchen wohl nicht genügen, zumal mit Deutschland ein Gegner in der Gruppe war den man zuletzt zweimal an Weltmeisterschaften zu Null geschlagen hat. Ist es nun vorbei mit Eitel Sonnenschein und ist der Stern der Schweiz bereits wieder am sinken? Gegen Finnland war man ja dann wie früher chancenlos. Noch in Harbin hielt man sich lange im Spiel…
RK: Natürlich hätte ich gerne, wie 2007, eine Medaille geholt. Oder zumindest in die Finalrunde gekommen. Klar gewinne auch ich lieber, als das ich verliere. Wir haben an diesem MLP aber sehr viel ausprobiert. In den Spielen, aber auch hinter den Kulissen. Wir haben nicht allzu viele solche Gelegenheiten, um auf diesem Niveau zu testen. Alle anderen Teilnehmer haben 3 oder mehr solche Turniere, 3x EHT’s oder das 4 Nations in Kanada. Wir nicht. Und wenn wir nicht dort testen, wann dann? Wichtig ist es die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Zu wissen, was wir brauchen. Die gemachten Erfahrungen im richtigen Moment nutzen zu können. Dies gilt für den Staff genau so wie für Spielerinnen.
Das mag für unsere tollen Fans nicht gerade fair klingen. Nahmen sie doch wegen uns den Weg nach Ravensburg unter die Räder. Ich denke aber, es wurde tolles Frauen Eishockey geboten. Auch wenn dieses mal andere die Musik machten. Unser Fokus liegt auf der kommenden Weltmeisterschaft resp. bereits den olympischen Spielen. Dort werden wir keine Gelegenheiten für solche Aktionen haben. Dort geht es um sein, oder eben nicht sein. Es ist nun einmal Tatsache, dass wir im internationalen Vergleich ungleiche Spiesse haben. Wer die Spiele in Ravensburg objektiv und ehrlich beobachtet hat, konnte das Niveau dort sehen. Das ist nicht mehr einfach nur ein wenig „Hockey“ spielen. Da kommen professionelle Videocoaches in den Drittelspausen in die Garderobe und analysieren die vorangegangenen Spielminuten. Davon können wir nur träumen. Und doch, im PP waren wir die 2. beste Nation. Zusammen mit dem Boxplay kamen wir auf rund 104.5 %. (Zum Vergleich CAN = 120%, FIN 103.5, SWE 101, GER 96 und RUS 94%)

An was arbeitet ihr denn zur Zeit um den Abstand zur Weltspitze nicht zu verlieren?
MF: wenn man die Entwicklung international anschaut ist es klar: Athletik und Speed. Weiter stehen Themen an wie Schussauslösung und Spiel unter Druck. In all den Bereichen müssen wir als Nation besser werden. Weiter haben alle Spielerinnen natürlich ihre individuellen Aufgaben zu lösen. Wir kassieren immer noch zu viele Strafen wegen mangelnder Geschwindigkeit. Das müssen wir korrigieren. Bei der Schussauslösung sind überraschende Handgelenkschüsse gewaltig im kommen. Gerade der MLP Nations Cup hat das gezeigt. Ansatzlose Schüsse in die Winkel gab es in jedem Spiel. Die Entwicklung der Schusshärte und Präzision im Fraueneishockey ist gewaltig. Dann müssen wir gute Eigenschaften fördern und automatisieren, damit sie auch unter Druck und im letzten Spiel einer langen Serie abgerufen werden können. Dazu müssen die Spielerinnen in ihren Vereinen gefordert werden. International kannst du Dribbling vergessen sonst ist die Scheibe weg. Im 1 gegen 1 muss die Position im guten Eis gehalten werden können sonst ist man gegen schnelle Gegner überlaufen und gibt gefährliche Chancen preis. Frei nach dem Motto „es gibt noch viel zu tun“…

Das kann ja die Schweiz bereits am Mountain Cup im Februar unter Beweis stellen. Erzähl uns etwas mehr zum Turnier…
PS: Wir werden Anfang Februar in Romanshorn zum zweiten Mal den Mountain Cup austragen und konnten mit Kasachstan einen unserer Gegner an der WM in Finland für das Turnier gewinnen, welches das Viererfeld des Turniers mit Österreich und Frankreich ergänzt.
Gegen die Kasachinnen werden wir bereits am Donnerstag 5.2. um 19.00 Uhr ein Vorbereitungsspiel zum Turnier bestreiten.
Das Turnier beginnt dann am Freitag 6.2. mit den Partien KAZ-FRA um 16.00 und das Abendspiel SUI-AUT um 19.30 Uhr und wird am Sonntag 8.2. mit dem Schlusspiel SUI – KAZ beendet
Ich hoffe wir dürfen auf die Unterstützung möglichst vieler Zuschauerinnen und Zuschauer zählen.
Ebenfalls auf dem Programm steht ein Spiel der neu ins Leben gerufenen U-15 Nationalmannschaft  gegen die gleichaltrigen Kameradinnen aus Österreich!
Der komplette Spielplan ist hier auf frauennati.ch unter „Grossanlässe“ publiziert.
Was darf man vom Kader her erwarten? Sind alle dabei?
RK: Ganz bewusst nein. In Chur/Ravensburg haben wir die ersten Konturen von unserem WM Kader gesehen. Wir wollen diese Konturen schärfer werden lassen. Weitere Kandidatinnen sollen die Chance erhalten, sich im direkten Vergleich zu zeigen. Erstmals werden auch die U18 Spielerinnen dabei sein, diese wollen auch noch das eine oder andere Wort mitreden bei der Selektion.

Auf die U18 angesprochen… diese hat ja in Füssen an der U18-WM die Finninnen geschlagen und spielt nun am Freitag gegen Deutschland um den Einzug ins Spiel um Platz 5. Was sagt ihr zu eurem Nachwuchs und dessen Leistung?
RK: In diesem Spiel lagen sie 0:3 zurück, drehten das Spiel und gewannen schliesslich 4:3. Und das ohne 2 wichtige Spielerinnen. Da bleibt mir fast die Luft weg. Das ist unglaublich, und zeugt von einem enormen Teamgeist und Siegeswillen. Diese Erfahrung, dieses Wissen um die eigene Stärke kann und wird ihnen niemand mehr nehmen. Jetzt gilt es aber wieder auf den Boden zurück zu kehren. Die Zeit zum feiern kommt, doch noch stehen 2 ganz grosse Aufgaben an! Erst dann wird abgerechnet. Das weiss aber der Coaching Staff um Jörg Toggwiler bestens.
MF: Ja, eine phantastische Sache. Bis anhin war die Bilanz gegen Finnland für die U18 negativ und wir vom A haben Finnland gar noch nie bezwungen. Dass die U18 das an der WM in Füssen geschafft hat und dann noch wie (4 Tore in rund 5 Minuten), das ist super! Herzliche Gratulation. Ein Zeichen der guten Arbeit die der U18-Staff seit Bestehen dieses Teams gemacht hat. Ich gönne es ihnen von Herzen.

Wie sieht denn die Entwicklung international auf Stufe U18 aus?
MF: Ein Insider erzählte mir, dass der Final in Calgary an der ersten U18-WM eine „wahnsinnige Geschwindigkeit“ gehabt habe. Athletisch kommt mit den 90er-Jahrgängen (und jünger) eine neue Generation auf uns zu die die Limiten kleiner Hockeynationen noch schonungsloser aufdecken wird als bisher. Dafür sind die aktuellen Resultate in Füssen bereits Zeugen. Die U.S.A. zum Beispiel schoss im Spiel gegen Russland in den ersten 20 Minuten 30 Mal auf das Tor der Gegnerinnen während der amerikanische Torhüter keinen einzigen Schuss abzuwehren brauchte! Drittelsresultat 9:0!
Die 90er sind auch die ersten Spielerinnen, welche im Zeitalter des Fraueneishockeys  aufgewachsen sind. Sie haben dadurch ganz andere Werte und Kulturen erlebt und bringen diese nun ein. Pioniergeist weicht purer Athletik, Randsport wird zu Hochleistungssport. Die Entwicklung ist brutal und zwingt uns, unsere Kaderspielerinnen noch mehr in die Verantwortung zu nehmen, sich das Umfeld zu schaffen wo sie internationale Konditionen erarbeiten können. Auch wird die Weltspitze sich weiter vergrössern. Schwellenländer wie Tschechien (U18 unter den Top 4 der Welt) oder die Slowakei (Qualifikation für die olympischen Spiele in Vancouver) stossen dazu und vergrössern das internationale sportliche Spitzenfeld auf mindestens 12 Nationen. Wir tun gut daran früh in den Nachwuchs zu investieren. So haben wir in Chur eine U15-Nationalmannschaft evaluiert um den jungen Spielerinnen bereits internationale Spiele zu ermöglichen und in ihnen die Flamme zu entzünden, mehr zu tun als andere um die Schweiz auch künftig in der Top 10 der Welt zu halten.

Aah, der Kreis schliesst sich. Wie ist euer U15-Selektionstraining in Chur denn gelaufen? Wie geht es dort weiter?
MF: Wir waren positiv überrascht von der Resonanz! Nachdem wir den Eröffnungsfilm gezeigt hatten (jener des öffentlichen Kick-Offs der Nationalteams in Langenthal im vergangenen Juni) standen die Münder weit offen. Als sie dann für die Selektionszwecke die Leibchen fassten, notabene jene die an der erfolgreichen Olympiaquali in Peking 2004 getragen wurden waren sie nicht mehr zu halten. Gerüchten zu Folge wollten sie diese nach dem Training gar nicht mehr hergeben (lacht). An dieser Stelle herzlichen Dank dem U15-Staff für den erfolgreichen Event und die Arbeit. Es geht nun im Februar weiter wo mindestens ein Länderspiel gegen Österreich ansteht. Ausgetragen wird es im Rahmen des Mountain Cup am Samstag, 7. Februar 2009 um 13.00 Uhr in Romanshorn. Allenfalls ergibt sich am 8. Februar noch ein weiteres Spiel gegen Österreich oder Deutschland. Dazu laufen die Abklärungen aber noch. Anschliessend werden wir das Projekt auswerten und festlegen, wie es in Zukunft weitergehen könnte.

Es erstaunt, dass eine U15 gegründet wurde. Es gab ja mal eine U22, was ist denn mit diesem Team passiert?
RK: Nun, durch die Tatsache, dass einige Spielerinnen im Ausland Hockey spielen, wurde auch unsere Kaderdecke dünner. Darum haben wir uns entschlossen, diese Spielerinnen bereits frühzeitig in das erweiterte A Kader zu integrieren, um Erfahrungen zu sammeln. Es zeigt sich meistens sehr schnell, wer das Potential und die Bereitschaft hat, den langen, steinigen Weg an einen grossen internationalen Event zu gehen.

Zurück zu Ravensburg. 1'500 Zuschauer gegen Deutschland. Das klingt wie im Märchen. Hatte es auch Schweizer Fans dabei?
PS: Ja es hat uns sehr gefreut, dass unter den zahlreichen Besuchern auch viele Fans aus der Schweiz angereist sind und auch Ligatrainer anwesend waren, welche sicherlich gesehen haben, wie sich das internationale Hockey entwickelt hat.
An dieser Stelle vielen Dank für die Unterstützung!!!

Was gedenkt ihr zu tun um in der Schweiz einen ähnlichen Run zu erzielen?
PS: Ich bin mir sicher, dass es auch in der Schweiz möglich ist eine solche Kulisse zu erzielen.
Im Dezember 2005 waren ja bereits 400 Zuschauerinnen und Zuschauer am Spiel gegen Russland in Wetzikon anwesend und an der Division I WM in Romanshorn waren auch zwei mal 800 Fans in der Halle.
Das Potential scheint da zu sein.
Ich denke ein grosses Turnier in der Schweiz wäre sehr wertvoll, auch für die Clubs und ich hoffe, dass es uns gelingt die Zuschauerränge zu füllen und somit eine Chance besteht auch die Medien anzusprechen, denn diese braucht es einfach um auch finanziell einen Schritt vorwärts zu kommen!
Leistung alleine genügt da leider nicht, wie wir nach den letzten Jahren feststellen müssen!
Wir hatten grosse Erfolge in der Vergangenheit und sind mittlerweile auf dem World Ranking auf Platz 5 angelangt aber alle diese Erfolge haben in der Ferne stattgefunden (Winnipeg, Harbin) und da fahren eben nicht einfach so mal Übertragungswagen von SF auf den Hof! Wenn es aber um die Ecke vom Leutschenbach wäre, wer weiss ob wir dann nicht auch mal Fernsehpräsenz erhalten?

Gibt es denn Bestrebungen, in der Schweiz auch mal was ähnliches wie in Ravensburg zu veranstalten?
RK: Eins vorneweg, in Ravensburg arbeiten mehr als 40 Personen im Hintergrund! Freiwillig und nur um der Ehre willen, keine Bezahlung! Wir haben im letzten Jahr den Mountain Cup in das Leben gerufen. Diesen wollen wir etablieren. Vom 6.-8.02.09 findet er wiederum in Romanshorn statt. Teilnehmer sind diesmal Kasachstan, Frankreich und Österreich. Im Dezember 2009 bereits die 3. Ausgabe (da wir im Februar 2010 bekanntlich in Übersee sind). Weiter wollen wir die Altjahreswoche noch besser nutzen. Ein Christmas Cup. Möglicherweise findet sich noch ein Namensgeber. Wieder unmittelbar vor dem 6 Nations in Ravensburg. Vom Teilnehmerfeld her fanden bereits Sondierungsgespräche statt. CAN U 22, die Russen, wir. Dazu noch eine asiatische Nation….so als Gedanke, wäre eine tolle Sache. Und dann gibt es da noch Pläne die Weltmeisterschaft der Top Divison im Jahre 2011 evtl. hier durchzuführen!

Habe ich richtig gehört? Eine WM in der Schweiz?
MF: Ja, es gibt Ideen und Szenarien. Für 2011 gibt es noch keine Bewerbung für eine WM. Ravensburg hat sich aus Kostengründen zurückgezogen. Da haben wir reagiert und unserer Frauenkommission einen Vorschlag gemacht. Die Chancen für ein Turnier in Zentraleuropa stünden gut, zumal 2008 Asien (Harbin, China), 2009 Skandinavien (Hämeenlinna, Finnland), 2010 und 2012 Nordamerika (olympische Spiele Vancouver 2010 und WM in Minneapolis, U.S.A. 2012) bereits in den Genuss von Hauptturnieren bei den Frauen gekommen sind/kommen werden. Da liegt es auf der Hand, dass eine Bewerbung aus unserer Region das richtige Puzzleteil wäre. Zumal aus Russland keine Signale für eine Bewerbung kommen. Es wäre die erste WM in Zentraleuropa überhaupt. Der zu erwartende Hype der Winterspiele in Vancouver könnte ausgenützt werden um dem Turnier und dem Frauenhockey in der Schweiz langfristig zu helfen. Es fanden erste Gespräche mit verschiedenen Leuten zu verschiedenen Varianten statt, mehr kann aber noch nicht gesagt werden, da am Schluss der Verband und die IIHF entscheiden müssen. Wir informieren weiter wenn es Neuigkeiten gibt.

Das sind interessante Neuigkeiten, aber bleiben wir bei der Gegenwart. René, nach 7 Spielen in 10 Tagen, was ziehst du für eine Schlussbilanz unter die Kampagne?
RK: Hart, intensiv, spannend, lehrreich, voller Emotionen. Wichtige Erfahrungen gemacht, Spielerinnen gesehen usw. Wir wurden in Ravensburg 6. und damit letzte. Dafür trage ich die Verantwortung. Ich weiss aber auch, wie diese Resultate zustande gekommen sind. Und weiss auch, wie viel es braucht, um Erfolge wie in Harbin zu feiern. Ich bin mir fast sicher, das Team weiss es nun auch. Siege auf Top Level sind nicht selbstverständlich.

Wie geht es jetzt weiter mit den Selektionen, was erwartet euch in Finnland an der WM? Welche Zielsetzung habt ihr?
RK: Wie gesagt folgt nun der Mountain Cup mit den U18 Spielerinnen für den Quervergleich. Mitte März erfolgt die Selektion für Hämeenlinna. Dann fliegen wir nach Finnland zur unmittelbaren WM Vorbereitung. Dort stehen letzte Testspiele an. Der WM Auftakt für uns geht gegen den Aufsteiger Kasachstan (übrigens Teilnehmer des Mountain Cups Feb 2009). Sehr viele bezeichnen uns als den Favoriten. Anschliessend dürfen wir gegen Gastgeber Finnland ran. Unser primäres Ziel heisst Top 6 und damit den Ligaerhalt resp. die Qualifikation für die A WM 2011. Wir können nicht mehr als kleine, unbeachtete Schweizerlein an eine WM. Nein, nach Harbin und Winnipeg unterschätzt uns wohl keine Nation mehr. Realität ist und bleibt, dass wir nun mal weniger Ressourcen haben, die wir einsetzen können. Selbst Kasachstan fährt mit einem Profibetrieb auf.

Ausblickend bereits auf das nächste Jahr, was für ein Programm fahrt ihr als Vorbereitung auf die wichtige Saison 2009/2010?
PS: Wir sind schon an der Planung der nächsten Saison, welche ja den Höhepunkt im Februar mit den Olympischen Spielen in Vancouver haben wird!
Grundsätzlich haben wir fast dasselbe Programm wie in einer „normalen“ Saison, denn unser Budget lässt gar nichts anderes zu!!
Einzige Veränderung wird sein, dass wir einen Monat früher beginnen und einzelne Termine von Swiss-Olympic hinzukommen.

Was machen die anderen Nationen als Vorbereitung?
MF: Mehr! Kanada wird alle Spielerinnen die in Frage kommen zentralisieren. Das heisst sie müssen im Sommer dieses Jahres nach Calgary ziehen und werden dort ca. 6 – 8 Monate zusammen wohnen und trainieren. Schweden hat die Verbandstage auf 120 gehoben (ohne die olympischen Spiele wohlgemerkt) und wird vor allem im Sommer mehr Zeit investieren um im Off Ice-Bereich bereit zu sein. Das Team wird dann Mitte Januar 2010 nach Kanada fliegen um sich den letzten Schliff zu geben. Von den Slovakinnen wissen wir noch nicht viel mehr. Dort ist es abzuwarten was die Quali für Vancouver auslöst. Von den Nationen der anderen Gruppe wird die U.S.A. ein ähnliches Programm wie Kanada bestreiten, Finnland wie Schweden, Russland und China haben lauter Profis die sowieso täglich trainieren. Ich persönlich erwarte sportlich und athletisch das hoch stehendste Frauenturnier das wir je gesehen haben werden.

Und was macht ihr um dagegen zu halten?
RK: Die Leidenschaft, das Herz des gesamten Teams. Die unglaubliche Energie welche entstehen kann trägt einen grossen Teil dazu bei. Ein weiterer Teil wird durch das Swiss Olympic Projekt ermöglicht. Dieser Zug rollt schon lange. Unsere in Turin gemachten Erfahrungen in die Vorbereitung des ganzen einfliessen lassen. Die Überzeugung, dass Spielerinnen, welche nach Vancouver wollen, sich ihr Umfeld schaffen, dass es ermöglicht, diesen Weg zu gehen. Die in etwa ahnen können was es braucht, und was mit Sicherheit nicht reichen wird. Die – gerade in Ravensburg - erfahren haben, welches Niveau in den Spielen, aber auch in den Trainings gefordert wird. „Er ist zu mir gekommen…der eine Ring, auch wenn ich ihn mir unter grossem Schmerz erkauft habe!“ Diese Worte versteht nur, wer den Sinn erkennt.

Philipp, René und Michael, herzlichen Dank für die Antworten. Wir wünschen der Nationalmannschaft weiterhin viel Erfolg und freuen uns auf das Heimturnier in Romanshorn. Den verletzen und kranken Spielerinnen wünschen wir baldige Genesung und eine schnelle Rückkehr auf’s Eis.